Gerechter Welthandel

GLOBAL DENKEN UND ZU HAUSE FAIR 
 HANDELN 


von Wofgang Kessler aus Publik Forum

 Die Probleme und die Politik 

Kunsthandwerk aus Afrika, Kaffee aus Kolumbien, Fußbälle aus Pakistan. Die Exporte vom Süden in den Norden der Welt sind stark gestiegen, doch den Menschen in den ärmsten Ländern hat der rasant wachsende Welthandel wenig genutzt:

* Die Zahl der absolut Armen, die chronisch unterernährt sind und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, ist nach UNO-Angaben im Jahr 1999 auf 1,3 Milliarden Menschen angewachsen. Gleichzeitig hat sich das Vermögen der reichsten 200 Menschen von 1042 Milliarden Dollar im Jahre 1998 auf 1135 Milliarden im Jahre 1999 erhöht.
Sie besitzen so viel wie 47 Prozent der Menschheit.

* Der Anteil der 41 ärmsten Länder an den Weltexporten ist auf 0,4 Prozent gesunken - 1980 lag ihr Anteil noch bei einem Prozent.

* Genügten im Jahre 1985 durchschnittlich noch 5,6 Tonnen Kaffee, 7,6 Tonnen Kakao und 49 Teppiche, um in Deutschland einen Zehn-Tonner-LKW zu kaufen, so mussten die Rohstoffproduzenten zehn Jahre später für diesen LKW 27,5 Tonnen Kaffee, 36,7
Tonnen Kakao und 133 Teppiche verkaufen.
Der Grund: Die Preise für Rohstoffe waren gefallen, jene für Industriewaren gestiegen. Der freie Welthandel hilft den Ärmsten der Armen also nichts, weil sie keine oder nur billige Produkte anzubieten haben. Deshalb mehren sich inzwischen Vorschläge, die Stellung der Armen im Handel zu stärken:

* Viele Fachleute fordern Soziaklauseln im Welthandel: Danach sollen nur noch Länder die Privilegien des freien Welthandels genießen können, die ausbeuterische Kinderarbeit abschaffen, Gewerkschaften und Tariffreiheit sowie einen Mindestarbeitsschutz garantieren. Auch ökologische Mindestnormen werden diskutiert: zum Beispiel das weltweite Verbot hochgiftiger Pestizide.

* Die Finanzinstitutionen und Entwicklungspolitiker investieren viel Geld in Großprojekte. Dagegen fehlt es an Geld für Kleinkredite an Kleinunternehmen, obwohl dies in armen Ländern sehr wirkungsvoll wäre: Dort genügt wenig Geld für lebensnotwendige unternehmerische Aktivitäten.

* Die Armen werden erst von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, wenn mehr Geld in die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse (Ernährung, Bildung, Gesundheit) fließt. Das muss nicht teuer sein. Nach
Angaben der UNO würden 19 Milliarden US-Dollar pro Jahr genügen, um in den ärmsten Ländern die Grundbildung, die Ernährungssicherheit und den Schutz vor tödlichen Infektionskrankheiten zu garantieren. Diese Summe wird in Westeuropa und in den USA zusammen jedes Jahr für Hundefutter ausgegeben.


 Die Macht der Verbraucher 


Eigentlich ist der Beitrag der deutschen Konsumenten zu einem gerechten Welthandel bedeutungslos: Rund 2500 Milliarden Mark geben die Deutschen jedes Jahr für den Konsum aus, nur 230 Millionen davon für fair gehandelte Produkte. Unabhängige Studien bestätigen aber dennoch, dass der faire Handel die Lebensbedingungen von hunderttausenden Kleinproduzenten verbessert und - trotz anders lautender Kritik - zumeist direkt bei den armen Bauern ankommt.



Fair Trude im Aufschwung
Immerhin gibt es in Europa derzeit über 3000 Weltläden und viele fair gehandelte Waren in den Supermärkten. Dafür sorgt der 1993 gegründete Transfair e. V. Er vergibt an Produzenten das Transfair-Siegel, wenn sie
nachweisen, dass sie die Kleinbauern im Süden mit einem Mindestpreis gegen sinkende Weltmarktpreise absichern - und eine ökologische Produktionsweise mit einem Zuschlag belohnen. Außerdem müssen die Produkte direkt bei den Erzeugern gekauft und die Abnahme durch langfristige Verträge gesichert werden. Auf Wunsch der Erzeuger  werden bis zu 60 Prozent des Kaufpreises  vorfinanziert. Damit stehen die Produzenten  in der Dritten Welt deutlich besser da, als im  konventionellen Welthandel. Und dies gilt  auch für ihre Familien, denn die Erzeuger  verpflichten sich, einen Teil des Mehrerlöses  in Bildungseinrichtungen, medizinische Versorgung und in die Alterssicherung zu investieren. Auf diese Weise trägt der Kauf von fair  gehandeltem Kaffee, Tee, Orangensaft, Kakao, Honig, Bananen, Süßigkeiten, Trockenfrüchten, Textilien und Handwerksprodukten direkt zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den armen Ländern bei.

Noch größere Vorteile genießen die Produzenten bei der kircheneigenen Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt (Gepa), dem größten Fairhandelshaus in Europa, und kleineren Fair-Tradern wie El Puente. Sie gewähren ihren Partnern nicht nur einen Mindestpreis, sondern grundsätzlich einen Zuschlag zum Weltmarktpreis.  Außerdem achten sie bei ihren Partnern besonders auf gerechte und ökologische Produktionsbedingungen. Ihre Produkte werden  vorzugsweise über Weltläden vertrieben.

Wenn Blumen echte Freude machen
Nach einer zehnjährigen hartnäckigen Kampagne gelang es den Dritte-Welt-Organisationen FIAN, Brot für die Welt und Terre des hommes, in rund 50 Betrieben in Entwicklungsländern international anerkannte Sozial- und Umweltstandards für den Anbau von Blumen durchzusetzen. Unabhängige Fachleute kontrollieren dort, ob die Arbeiterinnen auf den Blumenplantagen feste Arbeitsverträge und ein Recht auf Mutterschaftsurlaub haben.
Ausserdem dürfen Pestizide nur vorsichtig und sparsam eingesetzt und die Produktion muss umweltverträglicher gestaltet werden. Dafür werden die Rosen und Nelken dann mit dem Siegel »Aus menschen- und umweltschonender Produktion« angeboten. Diese Rosen und Nelken sind wesentlich teurer als die konventionellen. Doch die Gegenleistung ist erheblich: Die Arbeiterinnen werden nicht mehr kompromisslos ausgebeutet und vergiftet. Die fairer gehandelten Blumen machen mehr Freude.

 

Teppiche ohne Kinderqualen
Lange Zeit hätte das Bild nicht zynischer sein können. Die Deutschen treten mit ihren Füßen auf Teppiche, die von zarten Kinderhänden für sie geknüpft wurden. Doch auch hier zahlt sich inzwischen eine Initiative der Hilfswerke Misereor, Brot für die Welt, Terre des hommes und der Unicef aus: So genannte Rugmark-Stiftungen in Indien, Nepal und Pakistan vergeben das Rugmark-Siegel an Teppichexporteure und Knüpfbetriebe, wenn diese sich dazu verpflichten:

* keine Kinder unter 14 zu beschäftigen,
* mithelfenden Kindern von Teppichknüpfern den Schulbesuch zu ermöglichen,
* erwachsenen Knüpfern auf jeden Fall die gesetzlichen Mindestlöhne zu bezahlen.

Unangemeldete Kontrollen garantieren die Einhaltung der Statuten. Die Initiative verbessert die Lebensbedingungen von Kindern, ohne die Mitarbeit von Kindern für ihre Familien generell zu verbieten. Die Konsumenten honorieren das Engagement: Obwohl teurer, gingen bisher mehr als 100 000 Rugmark-Teppiche über die Ladentische.

Schwieriger Weg zu sauberer Kleidung
Was im Teppichhandel gelungen ist, steht bei Textilien noch aus. Hier kämpft die Christliche Initiative Romero mit kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen im Rahmen der Kampagne für saubere Kleidung für soziale und ökologische Standards im Textilbereich. Die Kampagne setzte die Textilkonzerne unter erheblichen Druck, die teilweise menschen-
unwürdigen Arbeitsbedingungen in ihren Werken und bei ihren Zulieferern in der Dritten Welt zu überprüfen. Ausserdem wuchs das Angebot an Öko-Textilien in den vergangenen Jahren (siehe »Who is Who«). Da die Herstellung von Textilien sehr kompliziert ist, gibt es bisher noch kein Siegel für sozial- und umweltverträglich produzierte Kleidung. Doch der Weg geht dahin.

  DIE VISION 

Noch kann der faire Handel den konventionellen Handel nicht beeinflussen. Doch die Qualitätssiegel zeigen Wirkung: Immer mehr Kunden sind bereit, mehr für Waren zu bezahlen, wenn ein Siegel beweist, dass sie soziale und ökologische Qualität finanzieren. Wenn diese Bereitschaft wächst, dann können sich auch die marktbeherrschenden Produzenten und Einzelhändler schon aus Imagegründen nicht mehr lange weigern, diese Siegel zu beantragen oder Produkte mit Qualitätssiegel zu verkaufen. Das ist dann ein Signal an die Politik: nämlich den gesamten Welthandel in soziale und ökologische Rahmenbedingungen einzubinden.

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