40 Wochenstunden ohne Bezahlung

Warum arbeiten 25 ehrenamtliche Helfer/innen im Eine-Welt-Laden ?

 

 

Als vor mittlerweile fast 40 Jahren die ersten "Dritte-Welt-Läden" entstanden, wurden sie von der Bevölkerung noch argwöhnisch beäugt und eher als "Randerscheinung für Alternative" aus der 68er Szene angesehen. Mittlerweile hat sich nicht nur der Name geändert. Heute ist die Bezeichnung "Eine-Welt-Laden" gebräuchlich und die etwa 300 Ladengeschäfte in Deutschland können ihren Kunden eine breite Produktpalette hochwertiger fair gehandelter Waren anbieten.

 

 

 

Anfang der 1970er Jahre waren es noch Verkaufsstände auf Märkten und nach Gottesdiensten wo häufig, kirchlich engagierten Gruppen, ihre fair gehandelten Produkte anboten. Im Notfall musste sogar manchmal das eigene Wohnzimmer als Verkaufsraum herhalten. Aber 1973 war es soweit das mutige Menschen in Stuttgart, den ersten Weltladen mit regelmäßigen Einkaufszeiten öffneten. Das Angebot war bei weitem nicht so umfangreich wie wir es heute gewohnt sind und auch das äußere Erscheinungsbild der Läden hat sich erst im Laufe der Zeit zu den freundlichen, professionellen, einladenden Geschäften gewandelt.

 

Die Einführung fair gehandelter Produkte in Supermärkten zu Beginn der 90er Jahre warf die Frage auf, ob die kleinen Weltläden jetzt überflüssig sind. Aber auch wenn mittlerweile viele Supermärkte fair gehandelte Produkte verkaufen - die Geschichte hinter den Produkten können nur die Mitarbeiter in den Weltläden erzählen.  

 

 

 

Wer den "Eine-Welt-Laden" in der Kirchstraße besucht, bekommt genau das geboten: Einen hellen, übersichtlich eingerichteten Verkaufsraum mit einem umfangreichen Angebot an Lebensmitteln und Handwerksprodukten - und mit netten kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Jeder der 25 ehrenamtlichen Helfer nimmt sich viel Zeit für den Kunden, hilft beim Auswählen, gibt Tipps und Ratschläge, und damit das Einkaufen auch richtig Spaß macht, wird eine Tasse Kaffee oder Tee angeboten. In so lockeren Atmosphäre ist es leicht, ein Gespräch zu beginnen. Dann erfährt man von den Mitarbeiterinnen warum es auch in Vilsbiburg den Eine-Welt-Laden gibt.

 

Der Faire Handel steht für mehr Gerechtigkeit im Handel mit der Dritten Welt. Die Benachteiligung der Produzenten in den Entwicklungsländern ergibt sich zum einen aus der wirtschaftlichen und sozialen Unterentwicklung des jeweiligen Raumes, zum anderen ist das Weltwirtschaftssystem Schuld an der herrschenden Armut in diesen Ländern. Die Preise vieler vorwiegend aus der Dritten Welt stammender landwirtschaftlicher Produkte werden nicht von ihren Erzeugern bestimmt, sondern an der Börse ausgehandelt - dies gilt zum Beispiel für Kaffee. Der Erlös reicht den Produzenten jedoch meist nicht einmal ihren Lebensunterhalt zu decken. Von steigenden Weltmarktpreisen profitieren hauptsächlich die Händler. Da die Bauern in den Entwicklungsländern zum größten Teil für den Export produzieren, sind sie von den Zwischenhändlern, die ihnen die Erzeugnisse abnehmen und den geringen Erlösen, die diese zahlen, abhängig. Durch den Fairen Handel wird versucht für die benachteiligten Produzenten in den Entwicklungsländern eine gerechtere Struktur zu schaffen.

 

 

 

Deshalb sehen die Ladenleute ihre ehrenamtliche Tätigkeit als wichtigen Beitrag zur Selbsthilfe. "Wenn ich jede Woche einen Tag Dienst im Laden machen, weiß ich dass ein kleiner Betrieb zum Beispiel in Afrika, für seine landwirtschaftlichen oder handwerklichen Erzeugnisse gerecht und ausreichend bezahlt wird". Hilfe muss nicht immer in Form von Geldspenden erfolgen, die Mitarbeiterinnen sehen ihren täglichen Einsatz, zu Recht gleichwertig. Es macht den 24 Frauen auch ganz offensichtlich Freude auf diese Weise zu Helfen.

Gemeinsam mit einem männlichen Kollegen sind etwa die Hälfte von den Damen seit 1998, also von Anfang an im Laden tätig. Gefragt nach der Beliebtheitsskala ihrer Produkte, erfährt man, das besonders oft Lebensmittel gekauft werden - angeführt von Kaffee, Tee und Schokolade.

Kaffee war in den Weltläden eines der ersten angebotenen Produkte, dabei war der Nicaragua-Kaffee der 80er Jahre für unseren Gaumen schon eher ein "rasses Getränk". Das lag daran, dass die Kaffeeröstung im Erzeugerland ganz einfach anders war als in Deutschland.  Ausgehend von diesen Erfahrungen waren sich die Akteure des Fairen Handels einig das "politische Korrektheit auch schmecken muss". Bei dem umfangreichen Kaffeeangebot, dass mittlerweile die Regale füllt, findet nun jeder Kunde seine wohlschmeckende Lieblingssorte.

 

Es wird seitens der Käufer auch oft nach Obst und Blumen gefragt. Im fairen Handel durchaus erhältlich aber wegen der kurzen Haltbarkeit in dem kleinen Vilsbiburger Laden problematisch. Denn laut den Mitarbeiterinnen gibt es offensichtlich immer noch eine gewisse Hemmschwelle im Eine-Welt-Laden einzukaufen. Manchen ist der Laden zu kirchlich geprägt, andere sind der Ansicht "das kostet alles viel mehr als im Supermarkt". Beide Argumente stimmen nicht, die Konfession spielt beim Einkaufen überhaupt keine Rolle, fairen Handel kann jeder unterstützen egal ob Christ, Moslem oder Konfessionslos und die Preise sind nur geringfügig höher als im "normalen Verkauf". Die gute Qualität und der gerechte Lohn, den die Erzeuger bereits erhalten haben, rechtfertigt den Preisunterschied.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Eine-Welt-Laden sind der Meinung, dass man sich einfach trauen soll, ihren Laden zu besuchen. Bei einem Schwätzchen lässt sich viel Unsicherheit aus der Welt schaffen und aus einem "Probekäufer" wird schnell ein Stammkunde.

 

Evelyne Betz